Astutuli - Eine bairische Komödie (1953)

»Astutuli, so heißt das Spiel, Astutuli, so viel man will.«[1]

Orffs ›Astutuli‹ in die Reihe seiner musikdramatischen Werke, ja selbst seines ›bairischen Welttheaters‹ einzuordnen, ist gar kein leichtes Unterfangen.

Ist die bairische ›Kumedi‹ ein Faschingsspaß, ein Nebenwerk, ein heiterer Ableger der tragisch-parabelhaften ›Bernauerin‹, ein kurzes Atemholen vor der übermächtigen Kraftanstrengung, die antiken Griechendramen von Sophokles und Aischylos zu musikalisieren?

Wer in die Welt dieser ›bairischen Komödie‹ eindringen will, muss zuerst ihren lateinischen Titel überwinden. Als Hilfe daher zunächst ein Auszug aus dem Lateinlexikon: astutulus = ziemlich schlau, ziemlich listig.

›Astutuli‹ sind also die ziemlich Schlauen, die Schlaumeier, die Schlauberger, die Schlaucherln – die, die glauben, besonders gewitzt zu sein.

   

Was Orff an dem Stoff reizte, war – mehr noch als das Satirisch-Parabelhafte – die Allgewalt des Mimisch-Theatralischen. Bei Orff ist ein Gaukelspiel nicht nur der Inhalt, Spiel – im Doppelsinn als Theaterstück und als Spiel der Phantasie – ist auch das wahre Thema des Stücks. Dementsprechend sind auch die künstlerischen Mittel gewählt, deren sich Orff zur Gestaltung bedient. So ist das dramatische Agens der ›Astutuli‹ die Sprache selbst und ausschließlich, eine Sprache, die ganz von Szenischen, vom Gestischen, vom Mimischen geprägt ist.

Die ›Astutuli‹ sind ein Stück für Schauspieler, nicht für Sänger. Dem Verzicht auf Gesang entspricht der Verzicht auf Melodie – das Spiel wird musikalisch über weite Strecken von jenem aus Spiel und Gestus abgeleiteten rhythmischen Sprechen bestimmt, das Orff zum ersten Mal in der Hexenszene der ›Bernauerin‹ verwendet hatte.

Auch das orchestrale Moment ist bis auf das Skelett reduziert: das bloße Schlagwerkinstrumentarium begleitet und untermalt das gesprochene oder rhythmisch skandierte Wort.

Insgesamt sind die ›Astutuli‹ mit ihrem theatralischen Übermut wie mit ihrem satirisch-symbolhaften Hintersinn ein Herzstück aus Carl Orffs ›Bairischem Welttheater‹. Für den Erfolg, der das Werk seit der Uraufführung am 20. Oktober 1953 begleitet hat, geben zahlreiche Kritiken[...]beredtes Zeugnis.[2]

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[1] CO-Dok VI,235; [2] Franz Willnauer in CO-Dok VI,231ff.
Abb.: Sendung des Südwestfunks, Februar 1958
Audio: Carl Orff liest - WER 3007-4

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