Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 03.08.2018:

Carl, es groovt

Das Orff-Fest Andechs & Ammersee bietet in der kommenden Woche nicht nur Aufführungen berühmter Werke, sondern auch einen Kompositionswettbewerb und einen Workshop für Jugendliche

Von Armin Greune, Dießen/Andechs

Genau einen Monat nach dem Auftakt tritt das "Carl-Orff-Fest Andechs Ammersee 2018" nun in die heiße Phase ein. Von Mittwoch bis Sonntag kommender Woche finden fünf Konzerte, ein Vortrag, eine Ausstellung, ein Workshop und das Finale des Kompositionswettbewerbs 2018 statt. Anders als bei den vorangegangen Andechser Carl-Orff-Festspielen - die 1998 bis 2015 jeden Sommer auf dem Heiligen Berg veranstaltet wurden - liegt beim Nachfolger das Augenmerk nicht auf den gewichtigen Welttheater-Werken, Opern oder den Carmina Burana. Veranstalter Florian Zwipf-Zaharia und der künstlerische Leiter Wilfried Hiller wollen vielmehr auch Orffs Vorbilder, Lehrmeister, Partner und Schüler beleuchten. Und sie schrecken auch nicht vor dunklen Flecken in der Biografie des Komponisten zurück: Am Sonntag, 12. August, geht Oliver Rathkolb der Rolle Orffs unter der Nazi-Herrschaft nach. Der Vortrag des vielfach ausgezeichneten Wiener Geschichtsprofessors beginnt um 11 Uhr im Blauen Haus Dießen.

Zunächst aber stellt der Dirigent und Organist Hansjörg Albrecht am Mittwoch, 8. August, 20.30 Uhr, in der Klosterkirche von St. Ottilien Bachs "Goldberg-Variationen" Orffs Kanon aus dem "Spiel vom Ende der Zeiten" gegenüber. Tags darauf heißt es im Andechser Florianstadl "Das Weltenrad dreht sich", wenn Werke von Orff, Bach, Ravel, Bartok und George Crumb erklingen. Dabei treffen unter anderem "Das wohltemperierte Clavier", "Bolero" und Bartoks "Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug" aufeinander. Interpreten sind die Schlagwerker Simone Rubino und Viviane Vasileva sowie das Duo d'Accord mit den Pianisten Lucia Huang und Sebastian Euler. Als Sprecher fungiert der Schauspieler August Zirner, das Konzert beginnt um 19.30 Uhr und wird vom Bayerischen Rundfunk aufgezeichnet.

"Wer dumm is, der soll draußen bleibn" ist das Konzert betitelt, das vielleicht die größte musikalische Spannweite der Konzertreihe bietet. Carl Orffs musikalischer Horizont reichte weit über alle Genregrenzen: Er wuchs mit den Klassikern auf, erlebte die Entwicklung des Jazz und die Erfindung des Rock'n'Roll mit, schätzte die Comedian Harmonists ebenso wie Miles Davis. Im Andechser Florianstadl treffen am Samstag, 11. August, 19.30 Uhr, unter musikalischer Leitung von Enrico Delamboye die Münchner Symphoniker auf die Hip-Hop-Band Einshoch6 zu einer lebendigen Auseinandersetzung mit musikalischen Traditionen und modernen Trends.

Am gleichen Ort werden 24 Stunden später unter dem Thema "Die Auferstehung" das "Osteroratorium" von Bach und das "Osterspiel" von Orff aufgeführt: Mitwirkende sind der Münchener Bach-Chor unter Leitung von Hansjörg Albrecht, das Münchener Bach-Orchester sowie die Schauspieler Angela Hundsdorfer, Michael Grimm, Ferdinand Schmid-Modrow, Jürgen Fischer, Xaver Zeller, Harald Helfrich und Peter Weiss. Als Solisten singen Electra Lochhead, Kathrin Heles, Aleksander Rewinski und Philipp Kranjc. Regie beim Osterspiel führt Angela Hundsdorfer.

Ebenfalls am Sonntag, aber schon um 15.30 Uhr, konzertieren unter dem Titel "Die Schöpfung" die Singphoniker, Franziska Strohmayr (Violine), Irmgard Gorzawsky (Harfe) und das Trommlertrio Drumaturgia, das schon beim Eröffnungkonzert im Juli begeisterte. Auf dem Programm stehen Orffs "Laudes Creaturarum", das Werk "Schöpfung" seines Schülers Wilfried Hiller sowie Mona Rasenbergers "Wessobrunner Gebet", das die Komponistin zum Orff-Wettbewerb 2016 eingereicht hat. Das Konzert ist in der Schondorfer Heilig-Kreuz-Kirche.

Die drei Sieger des aktuellen internationalen Kompositionswettbewerbs werden am 10. August im Traidtcasten am Dießener Münster gekürt: Von 19.30 Uhr sind die zehn nominierten Beiträge in Uraufführungen und Anwesenheit der Autoren zu hören. Interpreten sind unter anderem Wiard Witholt (Bariton), Maria-Theresa Freibott (Harfe) und Christian Benning (Rahmentrommel). Das Thema lautete "Orpheus. Eurydike. Hermes", dazu werden Orpheus-Skulpturen von Antje Tesche-Mentzen präsentiert.

Ganz ohne Orffs berühmtestes Werk geht aber auch das jüngste Festival nicht über die Bühne: Mit dem dreitägigen Jugendworkshop "Carmina Burana ist Hip (Hop)!" will Schauspieler und Theaterwissenschaftler Johannes Schindlbeck Jugendliche für Rhythmus in Tanz, Wort und Musik begeistern: Es wird gerappt und gegroovt, was das Zeug hält. Der Kurs findet am Freitag- und Samstagnachmittag sowie am Sonntagvormittag im Pfarrstadl Weßling statt, die Teilnahme kostet 15 Euro pro Tag. Wegen der begrenzten Teilnehmerzahl ist eine Anmeldung unbedingt erforderlich. Noch können Karten für alle Veranstaltungen auf der Homepage unter www.carl-orff-fest.de gebucht werden. Auch ein Kombiticket für alle Veranstaltungen wird für 120 Euro angeboten.

Süddeutsche Zeitung vom 04.08.2018