Neues Dach – neues Glück?


Richtspruch – Mit Gunst und Verlaub

Stolz grüßt vom First der Hebebaum,
Wer ihn heut sieht, der glaubt es kaum,
Dass in so kurzer Umbaufrist,
Der neue Dachstuhl schon erstanden ist.

Recht lange möge fortbestehen
Das Haus, das wir hier sehen
Und mög' der Herr es schützen
Vor jeglicher Gefahr der Wetterblitzen.

Von glücklicher Bedeutung sei
Der Tag der Weihe allen.
Drum laß ich jetzt von meiner Höh’
Ein kräftig Hoch erschallen.

Die Bauherrschaft, es ist fürwahr,
Ein weltberühmtes Künstlerpaar.
Die Musik, die von jetzt ab hier erdichtet,
Dies Haus zur besonderen Repräsentation verpflichtet.
Die Bücher, die die Bauherrin hier nun schreibt,
Verbinden ihren Namen mit St. Georgen für alle Zeit.
Unsere Bauherrschaft,
Herr und Frau Professor Orff,
Sie leben hoch, hoch, hoch!

Sprechend stehen diese Häuser da,
Wie Professor Seifert sie schon vorher im Geiste sah.
Wohl hat es uns oft sehr gegraust,
Wie er so furchtbar auf dem Papier gehaust.
Doch siehe da, es ist ihm wohl geglückt,
Er hat wieder einmal,
Wie einst bei den Autobahnen,
Seinen Stempel aufgedrückt.
Für alles das, was er gemacht,
Sei ihm das nächste Hoch gebracht.
Herr Professor Seifert,
Er lebe hoch, hoch, hoch!

Die Firma, die das Bauwerk durchgeführt,
Maurer, nicht zuletzt die Zimmerer,
Die den Dachstuhl aufgesetzt.
Kurz, jeder gilt, der daran mitgeschafft,
Sei’s mit dem Kopf, sei’s mit der Hände Kraft.
Ihnen, die nicht Schweiß und Müh’ gescheut,
Sei liebevoll das letzte Glas geweiht.
Sie leben hoch, hoch, hoch!


18. Juni 1955, Karl Hauk
(Zimmerer und «Baumeister»  – so wird er in den Bauunterlagen u.a. geführt)


1954 machten sich Carl Orff und seine frisch angetraute, dritte Ehefrau, die Schriftstellerin Luise Rinser, auf die Suche nach einem Domizil auf dem Lande. Orff zog es dabei in die Gegend, die er schon als Kind zu lieben gelernt hatte – ins Fünfseenland südlich von München. Noch im selben Jahr fand das Paar ein Anwesen in Dießen-St. Georgen, das für die letzten 27 Lebensjahre Orffs Zuhause wurde.

Der Landschaftsarchitekt Alwin Seifert, der außerdem Orffs Schwager und neuer Nachbar in Dießen war, wurde beauftragt, die beiden bereits bestehenden Häuser in ein Wohn- und ein Arbeitshaus umzubauen und im Stile der Neuen Sachlichkeit grundlegend umzugestalten. Seifert machte sich ans Werk, und bereits gut ein halbes Jahr nach dem Kauf des Anwesens konnte Richtfest gefeiert werden.

Die guten Wünsche des Baumeisters Karl Hauk gingen indes nur teilweise in Erfüllung: Carl Orff komponierte in Dießen sehr erfolgreich seine letzten großen Werke, u.a. die Griechendramen Oedipus und Prometheus, das Weihnachts- und Osterspiel, ferner das Spiel vom Ende der Zeiten.

Für Luise Rinser allerdings wurden die Jahre am Ammersee eher zu einem «Intermezzo». Denn die Ehe der beiden Künstler stand unter keinem guten Stern und wurde bereits 1959 wieder geschieden.


[Text: Kristina Gerhard]

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