Orff lässt Glocken froh locken


Da fangt erst eine Glockn, die Glockn vom Peter, dem duppelgeturmtn, ganz langsam und dunkl zu singen an: «Chum, chum, chum, chum!» Da hörn’s die andern, die singen und schwingen: «Willkumm, willkumm, willkummen, willkumm!» Die kleinen, die kleinsten, wissen’s schon besser, die ham di derspecht‘, die singen: «Duchessa, duchessa, duchessa!»


Was für eine Liebeserklärung! Diese Passage aus Die Bernauerin, in der Herzog Albrecht zur Begrüßung seiner Geliebten verbal an allen Münchner Glockensträngen zieht, ist sicher die bekannteste Stelle aus Orffs Œuvre, in der Glocken zum Schwingen gebracht werden. Wenn man sich allerdings aufschwingt zur Suche nach weiteren Glocken, dann klingen einem bei Carl Orff rasch die Ohren. Denn bereits in einem der ersten großen Werke des Komponisten hört man’s läuten, basiert die imposante Entrata (Urfassung 1928) doch auf The Bells (Die Glocken), einem Tastenstück des englischen Shakespeare-Zeitgenossen William Byrd (1534 – 1663). In Orffs Orchesterbearbeitung entfalten sich die einzelnen Orchesterstimmen über einem repetitiven zweitönigen Glockenbass.

Aber auch in Orffs Bühnenwerken erklingt gewissermaßen rund um die Uhr – manchmal leise, manchmal laut, manchmal groß, manchmal klein, aber immer mit tiefer Bedeutung – dieses Aufschlagidiophon. Im Mond etwa, der in der Orchesterbesetzung eine Uhrenglocke vorschreibt, schlägt mit ihr das letzte Stündlein des ersten Burschen: Die Sterbeglocke läutet, bestimmt lakonisch die Regieanweisung. In der Klugen wiederum hätten dem König, der so martialisch auf die Pauke bzw. Trommel haut, beim friedvollen Auftritt der schlauen Bauerntochter besser die Ohren klingeln sollen, vermerkt doch die Regieanweisung gleichsam warnend: dabei hört man ständig und schon vorher ankündigend ein leises Klingeln, wie von hellen silbernen Glöckchen […] dem fern ein Trommelwirbel antwortet.

Noch viele weitere Formen dieses Aufschlagidiophons (Glasglocken, Röhrenglocken …) ließen sich bei Orff finden; doch kehren wir aus Zeitgründen zur einleitenden Bernauerin zurück. Denn dieses bairische Stück las der Komponist am 4. Mai 1975 im Münchner Residenztheater für die Münchner Theatergemeinde. Und am Ende der umjubelten Rezitation erhielt Orff als Dankeschön eine zünftige Kuhglocke, im Stil eines Votivbilds bemalt mit einer thronenden Muttergottes.



Und auch wenn man kaum in Anschlag bringen kann, dass der damalige erste Vorsitzende der Theatergemeinde, Stadtrat Jakob Baumann, von Orffs leiser Affinität zu Glocken jeglicher (Klang-) Couleur wusste, ein schlagkräftigeres Geschenk hätte man für Carl Orff nach dieser Lesung kaum finden können. Was Wunder also, dass der Komponist dermaßen beschwingt von der Bühne witschte [siehe Foto rechts]...

Doch um dieses Puzzleteil nicht sang- und klanglos zu beenden, hier noch ein (zugegebenermaßen wenig glockenreines) Klangbeispiel dieses Geschenks:

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Playlist

  • Die Kuhglocke

[Text: Johannes Schindlbeck]

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