Afrikanische Marimba



[A]n der Schule [wurde] ein Paket abgegeben. Zu meiner maßlosen Überraschung enthielt es ein großes afrikanisches Xylophon, eine Marimba, wie ich sie aus Sammlungen schon kannte, aber nie zu spielen Gelegenheit gehabt hatte, viel weniger hoffen konnte, eines zu besitzen. Dem Paket war kein Absender beigegeben, nur ein Zettel: «Gruß aus Afrika Lycka till!» […]

So kam mir die Marimba ins Haus.

Stundenlang phantasierte und improvisierte ich auf dem neuen afrikanischen Xylophon, alle möglichen Spiel- und Anschlagarten mit verschiedenen Schlägeln ausprobierend; lange leise Wirbel, Gabelgriffe, einfache und doppelte Glissandi. Dabei eröffnete sich mir eine neue Klangwelt, die mich faszinierte.


Wie Carl Orff in seinen Erinnerungen schreibt, dürfte das Paket mit der wertvollen Instrumenten-Sendung aus Afrika die Initialzündung für seine Begeisterung, weitere Beschäftigung und Weiterentwicklung des Xylophons in seinem Werk gewesen sein. Vorangegangen war dem postalischen Geschenk eine Begegnung mit zwei schwedischen Marionettenspielerinnen, die in München im Begriff waren, ein eigenes kleines Theater aufzubauen. Orff arbeitete zu dieser Zeit – 1926 – an der Günther-Schule, an der u.a. Gymnastik, Rhythmik und künstlerischer Tanz gelehrt wurde. Das Improvisieren mit Rhythmus und Bewegung, die Suche nach neuen Formen und Klängen war dort ein wesentlicher Bestandteil des Arbeitens. Daher fing Orff gleich Feuer, als die beiden Schwedinnen, die ebenso empfänglich für Neues und außerdem weitgereist waren, von ihrer Idee berichteten, in ihrem Marionettentheater Geschichten mit Xylophonklängen zu begleiten. Vor Orffs innerem Auge entstand sofort ein kleines Schlagwerkorchester nach Vorbild der fernöstlichen Gamelan-Tradition mit dem Xylophon als zentralem Instrument. Gemeinsam wurden Pläne für eine zukünftige Zusammenarbeit geschmiedet – einige Wochen später hielt Orff die Marimba in seinen Händen.

Ob die beiden Schwedinnen oder Bekannte von ihnen das Instrument geschickt hatten, ist unklar. Und auch zu einer Zusammenarbeit kam es nie, denn die beiden Marionettenspielerinnen waren aus gesundheitlichen Gründen sehr plötzlich zurück in ihre Heimat gegangen. Ob sie jemals erfahren haben, welche Wirkung ihr Geschenk auf Carl Orff und in der Folge weltweit auf zahllose Kinder hatte, die auf dem Xylophon ihre ersten musikalischen Gehversuche gemacht haben?


[Text: Kristina Gerhard]

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